Platzverweise sind ein gängiges Mittel der Sicherheitsbehörden und der Polizei zur Verdrängung von Menschen ohne Obdach aus dem öffentlichen Raum. Allein die Anwesenheit der Menschen ohne Obdach ist oftmals dazu ausreichend. Sie sollen im öffentlichen Raum unsichtbar gemacht werden. Obdach- und Wohnungslosigkeit ist jedoch Bestandteil unserer Gesellschaft und Zeugnis von unsozialer Politik und unsozialen Strukturen. Auch wenn versucht wird, die Augen davor zu verschließen, ändert dies am grundlegenden Problem nichts.
Platzverweise können gem. §36 I SOG LSA zur Abwehr einer Gefahr ausgesprochen werden. Diese Gefahr liegt jedoch selten vor,und ist eher ein Scheinargument. Dabei ist den Verantwortlichen nicht klar, dass die Menschen ohne Obdach an gewisse Plätze gebunden sind, weil sie sonst kein Zuhause haben. Dazu kommt, dass Sozialarbeiter*innen, Streetworker*innen, Kältebusse und viele andere soziale Hilfsangebote wissen, an bestimmten Plätzen Menschen ohne Obdach anzutreffen, um sie zu unterstützen. Platzverweise erschweren diese wichtige Arbeit ungemein und stellen lediglich eine weitere Verlagerung des Problems dar.
Während im Status quo von wohnungs- und obdachlosen Menschen sog. Wohnfähigkeit gefordert wird, fordert die Realität zur Bekämpfung dieser sozialen Probleme zu einem Paradigmenwechsel auf. Wohnungs- und Obdachlosigkeit müssen als soziale Probleme verstanden werden, die durch gesellschaftliche und politische Maßnahmen gelöst werden müssen, anstatt die Betroffenen für ihre vermeintliche Unfähigkeit zu bestrafen. Das Konzept der Wohnungsfähigkeit wirkt stattdessen stigmatisierend gegen Betroffene und trägt dazu bei, die bereits prekäre Situation wohnungs- und obdachloser Menschen weiter zu verschärfen.
Das Housing First Konzept bietet als Lösungsansatz eine effektive und menschenzentrierte Strategie zur Bekämpfung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit. Im Gegensatz zum Konzept der Wohnungsfähigkeit, das bestimmte Voraussetzungen wie Abstinenz und ein Arbeitsverhältnis fordert, setzt Housing First darauf, den Betroffenen zuerst eine dauerhafte Unterkunft zu bieten, ohne weitere Bedingungen zu stellen. Zudem werden den Menschen individuelle wohnbegleitende Hilfen angeboten, deren Inanspruchnahme allerdings rein freiwillig ist.
Das Housing First Konzept hat sich unter anderem in Modellprojekten in Städten wie Berlin, Bremen, Düsseldorf, Köln und Nürnberg bewährt und wurde auch international schon erfolgreich implementiert. Als besonders erfolgreich sticht dabei Finnland heraus, wo das Konzept seit 2008 angewendet wird und die Anzahl der obdachlosen Menschen bis 2022 halbiert werden konnte.
Es basiert auf einem ganzheitlichen Ansatz, der die komplexen Bedürfnisse obdachloser Menschen berücksichtigt. Indem ihnen zuerst eine sichere Unterkunft geboten wird, schafft Housing First eine stabile Basis, von der aus andere Probleme wie Suchterkrankungen, psychische Gesundheitsprobleme oder Arbeitslosigkeit effektiver angegangen werden können.
Darüber hinaus ist das Housing First Konzept langfristiger und effektiver ausgelegt, da die Auslastung von Notfallunterkünften, Krankenhäusern und Strafverfolgung reduziert werden kann. Dagegen führt das Konzept der Wohnungsfähigkeit häufig zu einem Zyklus von Rückfällen in die Obdachlosigkeit; dem sog. Drehtüreffekt. Indem obdachlose Menschen eine feste Wohnadresse haben, können sie leichter Zugang zu Bildung, Beschäftigung und Gesundheitsdiensten erhalten, wodurch ihr individuelles Wohlbefinden und soziale Stabilität gestärkt wird.
Schaut man sich auf öffentlichen Plätzen um, fallen einem gelegentlich auf den ersten Blick unnötig und ungemütlich erscheinende Designs auf. Mitten auf einer Bank platzierte Armlehnen, schiefe Sitzmöglichkeiten, weit auseinander stehende, viel zu kleine Bänke, sind nur einige Beispiele die sicherlich jede*r schon einmal in der Stadt gesehen hat. Hier handelt es sich leider nicht um unglücklich gestaltete Designideen wenig begabter Architekt*innen, sondern um gezielt ablehnend gestaltete sogenannte defensive Architektur.
Defensive Architektur oder auch “hostile architecture” beschreibt eine Gestaltung des öffentlichen Raumes durch Baumaßnahmen, die Menschen erschweren soll, dort länger zu verweilen.
Parkbänke, Plätze unter Brücken und überdachten Hauseingängen, Fensterbänke und Haltestellen werden so ausgestaltet, dass es wenige oder gar keine Sitz- oder Liegeflächen gibt. Es soll unterbunden werden, dass Personen sich länger als nötig an diesen Orten aufhalten. Durch das Anbringen von unnötigen Armlehnen und der Gestaltung von Bänken mit Sitzflächen in einem Winkel, der das Liegen unbequem macht, soll verhindert werden, dass Menschen dort schlafen können.
Statt die Auslöser von Obdachloskeit anzugehen und Menschen ohne Obdach zu helfen, sollen sie lieber aus dem öffentlichen Raum und unserer Wahrnehmung verschwinden. Das Verlangen nach einer “vorzeigbaren” Stadt steht hier darüber, auch nur minimal angenehmere Plätze zum Schlafen zu haben oder sich bei Regen und Wind schützen zu können. Der Drang nach einem attraktiven (gentrifizierten) Stadtbild gefährdet die Sicherheit und Gesundheit der Menschen. Nicht selten erfrieren Menschen ohne Obdach im Winter.
Deshalb fordern wir:
- Strengere Anforderungen an die Erteilung von Platzverweisen gegen Menschen ohne Obdach, das heißt die Erteilung darf nur gestattet sein, wenn dies zur Abwehr einer konkreten, gegenwärtigen, erheblichen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit der Obdachlosen oder anderen Personen dient
- Beachtung der besonderen Hilfsbedürftigkeit der Menschen ohne Obdach bei Erteilung des Platzverweises
- Die sofortige Pflicht nach Erteilung eines Platzverweises gegen einen Menschen ohne Obdach zum Angebot eines alternativen Aufenthaltsortes
- Die dahingehende Überarbeitung des Sicherheits-und Ordnungsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt durch zum Beispiel Einführung eines Absatzes in § 36 SOG LSA der die besonderen Anforderungen zur Erteilung eines Platzverweises gegen Menschen ohne Obdach normiert
- Etablierung des Housing-Frist Konzepts als vorrangige Strategie zur Bekämpfung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit und damit verbunden eine engere Zusammenarbeit mit lokalen Wohlfahrtsverbänden, Non-Profit-Organisationen und anderen relevanten Aktuer*innen
- inklusive und soziale Stadtplanung: Es sollen gerade Orte geschaffen werden, an denen sich Menschen länger und angenehmer aufhalten können
Erfolgt mündlich.
Änderungsanträge
Status | Kürzel | Zeile | AntragstellerInnen | Text | |
---|---|---|---|---|---|
unbehandelt | ÄIn4-3 | 78f | Änderung der ab Zeile 78 formulierten Forderung “Die sofortige Pflicht nach Erteilung eines Platzverweises gegen einen Menschen ohne Obdach zum Angebot eines alternativen Aufenthaltsortes” zu “Die sofortige Pflicht nach Erteilung eines Platzverweises gegen einen nicht unmittelbar straffällig gewordenen Menschen ohne Obdach zum Angebot eines alternativen Aufenthaltsortes” | Änderungsantrag (PDF) | |
angenommen | ÄIn4-1 | 89 |
Hinzufügen eines Punktes:
|
Änderungsantrag (PDF) | |
unbehandelt | ÄIn4-2 | alle | Streichung des Wortes “lethal” aus dem gesamten Antragstext | Änderungsantrag (PDF) |
Platzverweise sind ein gängiges Mittel der Sicherheitsbehörden und der Polizei zur Verdrängung von Menschen ohne Obdach aus dem öffentlichen Raum. Allein die Anwesenheit der Menschen ohne Obdach ist oftmals dazu ausreichend. Sie sollen im öffentlichen Raum unsichtbar gemacht werden. Obdach- und Wohnungslosigkeit ist jedoch Bestandteil unserer Gesellschaft und Zeugnis von unsozialer Politik und unsozialen Strukturen. Auch wenn versucht wird, die Augen davor zu verschließen, ändert dies am grundlegenden Problem nichts.
Platzverweise können gem. §36 I SOG LSA zur Abwehr einer Gefahr ausgesprochen werden. Diese Gefahr liegt jedoch selten vor, und ist eher ein Scheinargument. Dabei ist den Verantwortlichen nicht klar, dass die Menschen ohne Obdach an gewisse Plätze gebunden sind, weil sie sonst kein Zuhause haben. Dazu kommt, dass Sozialarbeiter*innen, Streetworker*innen, Kältebusse und viele andere soziale Hilfsangebote wissen, an bestimmten Plätzen Menschen ohne Obdach anzutreffen, um sie zu unterstützen. Platzverweise erschweren diese wichtige Arbeit ungemein und stellen lediglich eine weitere Verlagerung des Problems dar.
Während im Status quo von wohnungs- und obdachlosen Menschen sog. Wohnfähigkeit gefordert wird, fordert die Realität zur Bekämpfung dieser sozialen Probleme zu einem Paradigmenwechsel auf. Wohnungs- und Obdachlosigkeit müssen als soziale Probleme verstanden werden, die durch gesellschaftliche und politische Maßnahmen gelöst werden müssen, anstatt die Betroffenen für ihre vermeintliche Unfähigkeit zu bestrafen. Das Konzept der Wohnungsfähigkeit wirkt stattdessen stigmatisierend gegen Betroffene und trägt dazu bei, die bereits prekäre Situation wohnungs- und obdachloser Menschen weiter zu verschärfen.
Das Housing First Konzept bietet als Lösungsansatz eine effektive und menschenzentrierte Strategie zur Bekämpfung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit. Im Gegensatz zum Konzept der Wohnungsfähigkeit, das bestimmte Voraussetzungen wie Abstinenz und ein Arbeitsverhältnis fordert, setzt Housing First darauf, den Betroffenen zuerst eine dauerhafte Unterkunft zu bieten, ohne weitere Bedingungen zu stellen. Zudem werden den Menschen individuelle wohnbegleitende Hilfen angeboten, deren Inanspruchnahme allerdings rein freiwillig ist.
Das Housing First Konzept hat sich unter anderem in Modellprojekten in Städten wie Berlin, Bremen, Düsseldorf, Köln und Nürnberg bewährt und wurde auch international schon erfolgreich implementiert. Als besonders erfolgreich sticht dabei Finnland heraus, wo das Konzept seit 2008 angewendet wird und die Anzahl der obdachlosen Menschen bis 2022 halbiert werden konnte.
Es basiert auf einem ganzheitlichen Ansatz, der die komplexen Bedürfnisse obdachloser Menschen berücksichtigt. Indem ihnen zuerst eine sichere Unterkunft geboten wird, schafft Housing First eine stabile Basis, von der aus andere Probleme wie Suchterkrankungen, psychische Gesundheitsprobleme oder Arbeitslosigkeit effektiver angegangen werden können.
Darüber hinaus ist das Housing First Konzept langfristiger und effektiver ausgelegt, da die Auslastung von Notfallunterkünften, Krankenhäusern und Strafverfolgung reduziert werden kann. Dagegen führt das Konzept der Wohnungsfähigkeit häufig zu einem Zyklus von Rückfällen in die Obdachlosigkeit; dem sog. Drehtüreffekt. Indem obdachlose Menschen eine feste Wohnadresse haben, können sie leichter Zugang zu Bildung, Beschäftigung und Gesundheitsdiensten erhalten, wodurch ihr individuelles Wohlbefinden und soziale Stabilität gestärkt wird.
Schaut man sich auf öffentlichen Plätzen um, fallen einem gelegentlich auf den ersten Blick unnötig und ungemütlich erscheinende Designs auf. Mitten auf einer Bank platzierte Armlehnen, schiefe Sitzmöglichkeiten, weit auseinander stehende, viel zu kleine Bänke, sind nur einige Beispiele die sicherlich jede*r schon einmal in der Stadt gesehen hat. Hier handelt es sich leider nicht um unglücklich gestaltete Designideen wenig begabter Architekt*innen, sondern um gezielt ablehnend gestaltete sogenannte defensive Architektur.
Defensive Architektur oder auch “hostile architecture” beschreibt eine Gestaltung des öffentlichen Raumes durch Baumaßnahmen, die Menschen erschweren soll, dort länger zu verweilen.
Parkbänke, Plätze unter Brücken und überdachten Hauseingängen, Fensterbänke und Haltestellen werden so ausgestaltet, dass es wenige oder gar keine Sitz- oder Liegeflächen gibt. Es soll unterbunden werden, dass Personen sich länger als nötig an diesen Orten aufhalten. Durch das Anbringen von unnötigen Armlehnen und der Gestaltung von Bänken mit Sitzflächen in einem Winkel, der das Liegen unbequem macht, soll verhindert werden, dass Menschen dort schlafen können.
Statt die Auslöser von Obdachlosigkeit anzugehen und Menschen ohne Obdach zu helfen, sollen sie lieber aus dem öffentlichen Raum und unserer Wahrnehmung verschwinden. Das Verlangen nach einer “vorzeigbaren” Stadt steht hier darüber, auch nur minimal angenehmere Plätze zum Schlafen zu haben oder sich bei Regen und Wind schützen zu können. Der Drang nach einem attraktiven (gentrifizierten) Stadtbild gefährdet die Sicherheit und Gesundheit der Menschen. Nicht selten erfrieren Menschen ohne Obdach im Winter.
Deshalb fordern wir:
- Strengere Anforderungen an die Erteilung von Platzverweisen gegen Menschen ohne Obdach, das heißt die Erteilung darf nur gestattet sein, wenn dies zur Abwehr einer konkreten, gegenwärtigen, erheblichen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit der Obdachlosen oder anderen Personen dient
- Beachtung der besonderen Hilfsbedürftigkeit der Menschen ohne Obdach bei Erteilung des Platzverweises
- Die sofortige Pflicht nach Erteilung eines Platzverweises gegen einen Menschen ohne Obdach zum Angebot eines alternativen Aufenthaltsortes
- Die dahingehende Überarbeitung des Sicherheits-und Ordnungsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt durch zum Beispiel Einführung eines Absatzes in § 36 SOG LSA der die besonderen Anforderungen zur Erteilung eines Platzverweises gegen Menschen ohne Obdach normiert
- Etablierung des Housing-Frist Konzepts als vorrangige Strategie zur Bekämpfung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit und damit verbunden eine engere Zusammenarbeit mit lokalen Wohlfahrtsverbänden, Non-Profit-Organisationen und anderen relevanten Aktuer*innen
- inklusive und soziale Stadtplanung: Es sollen gerade Orte geschaffen werden, an denen sich Menschen länger und angenehmer aufhalten können
- Verbot von Defensiver Architektur