Am Mittwoch, 31. Mai 2023 hat das Oberlandesgericht Dresden das Urteil im Prozess gegen die Antifaschistin Lina, welche in Sachsen-Anhalt studierte und drei weitere Genossen verkündet. Die Bundesanwaltschaft hat Haftstrafen von bis zu acht Jahren gefordert, obwohl sich in den jahrelangen ausufernden Ermittlungen nach § 129 StgB („kriminelle Vereinigung“) keine klaren Beweise finden ließen. Lina wurde auf Grundlage der Anklage zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 3 Monaten verurteilt.
Seit der Eröffnung des Verfahrens am 09.September 2021 zog sich der Prozess über 98 Verhandlungstage, ohne dass die Ermittlungsbehörden mehr als eine dünne Beweislage vorlegen konnten. Mit dem Verfahren nach § 129 bemühten die Ermittler*innen eine politische Allzweckwaffe gegen linke Strukturen, die in erster Linie ganze Bewegungen und ihre Strukturen durchleuchten und einschüchtern soll, indem die Behörden extreme Ermittlungsbefugnisse erhalten. Zudem dient die Verfolgung der Betroffenen als „kriminelle Vereinigung“ dazu, ihre politischen Ziele zu delegitimieren und zu diffamieren.
Die reißerischen Artikel wurden von den Repressionsorganen gezielt befeuert und eine öffentliche Vorverurteilung gefördert: Neben internen Informationen zum Prozess und zur Person, die an die Presse „durchgestochen“ wurden, und der inzwischen mehr als zweieinhalbjährigen Untersuchungshaft gegen Lina diente vor allem ihre Inszenierung als „Terroristin“ diesem Zweck. So wurde Lina stets in Autos mit abgedunkelten Scheiben mit Hand- und Fußfesseln in den Gerichtssaal transportiert und weitere „Sicherungsmaßnahmen“ ergriffen, um die gewünschte Atmosphäre zu erzeugen.
Noch in der Urteilsverkündung gestand der Vorsitzende Richter ein Versagen des Staates in Eisenach ein. Die beteiligten Neonazi-Strukturen wurden jedoch nicht vor Gericht gebracht, sondern der selbstorganisierte Antifaschismus. Dies war eine politisch motivierte Entscheidung. Wir fordern eine gerechte, unabhängige Justiz, welche sich nicht aus Bequemlichkeit oder politischer Intrige Grundrechtseingriffe nach §129 erlaubt!
Dieses Vorgehen ist kein Einzelfall. Aktuell wird die Organisation der “Letzten Generation” unter dem gleichen Paragrafen, gedacht zur Terrorabwehr, verfolgt. Dies geht einher mit erheblichen Grundrechtseingriffen, die wir nicht gutheißen können. Es werden Telefone abgehört, Personen vorübergehend eingesperrt, ohne von einem Gericht verurteilt worden zu sein.
Auf der Plattform “Frag-den-Staat” wurden vor kurzem offizielle Gerichtsbeschlüsse aus München veröffentlicht, aus denen hervorgeht, wie sehr die Verfolgung der Organisation auf politischen Bestrebungen beruht. (https://fragdenstaat.org/blog/2023/08/22/hier-sind-die-gerichtsbeschlusse-zur-letzten-generation/) So hat die Staatsanwaltschaft München noch ein Jahr vor dem Gerichtsbeschluss zur Ermittlung auf Grundlage von §129 festgestellt, dass es keine Anhaltspunkte dafür gäbe. Ein ähnliches Bild ergibt sich beim Lesen der Begründung des zuständigen Ermittlungsrichters. So sind die Begründungen gefüllt mit angeblichen Vorwürfen, deren strafrechtliche Relevanz gar nicht festgestellt ist.
Ebenfalls fällt im Falle der “Letzten Generation”, sowie Antifa-Ost, eine fehlende Auseinandersetzung mit Grundrechten in der Begründung des Ermittlungsrichters auf. So wurden sowohl Persönlichkeitsrechte, als auch Presserechte bei der Entscheidung und Ausweitung von Befugnissen ignoriert und nicht in Betracht gezogen.
Getrieben und Rechtfertigt werden diese Ermittlungen von öffentlicher Meinung, Politischen Entscheidungen und sogenannter “Copaganda”. Die Polizei verurteilt vor, speziell die sogenannten “Polizeigewerkschaften” lassen sich gerne in großen, konservativen oder reißerischen Zeitungen zitieren und rechtfertigen Eingriffe, welche sich später teilweise als rechtswidrig herausstellen. Dies hat sich Beispielsweise bestätigt, als die Ermittlungsgruppe um die “Letzte Generation” eine Meldung auf der URL der “Letzten Generation” mit einer klaren Vorverurteilung veröffentlichte. Medien, welche im Umgang mit Pressemitteilungen der Polizei nicht geübt sind, veröffentlichen diese unreflektiert als Tatsachenberichte.
Als Jusos Sachsen-Anhalt solidarisieren wir uns mit außerparlamentarischen Antifaschistischen Gruppen und der Klimabewegung.
Wir können verstehen, dass empfindliche Störungen des Alltags durch den zivilen Ungehorsam der Letzten Generation bei vielen Menschen Unmut auslösen, halten das Demonstrationsrecht jedoch für das höhere Gut.
Es ist uns darüber hinaus unbegreiflich, warum viele Menschen ihre Wut, gar ihren Hass, an jungen Menschen, die sich für unser aller Zukunft einsetzen, auslassen, statt die Wurzel des Problems zu adressieren: Das kapitalistische Gesellschafts- und Wirtschaftssystem, dessen Kernlogiken von Wachstumserfordernis und der Externalisierung von Kosten unmittelbar zur Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlage führt.
Wir erkennen eine politische Motivation von Strafverfolgung an und fordern die entsprechende Anpassung des §129 StgB! Eine Ermittlung im Namen der “terroristischen Vereinigung” muss klaren Regeln unterworfen werden und darf nicht politisch instrumentalisiert werden. Wir fordern einen Stopp von willkürlicher, unnötiger Gewalt, welche von der Polizei gegen Aktivisti, insbesondere in Form von unnötigem Schmerzgriffen und psychischer Erniedrigung, nach Festsetzung ausgeübt wird.
Die Idee, einen Polizeieinsatz infolge von legitimen Protest, sei es mit mitteln des zivilen Ungehorsams, in Rechnung zu stellen und damit vor allem arme Protestierende zu belasten oder gar vom Ausüben des Versammlungsrechts aufzuhalten, verurteilen wir aufs schärfste.
Auch aus diesem Grund wurde Deutschland im neuesten Bericht von Amnesty International zur Demonstrationsfreiheit als Land aufgezählt, in dem die Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit zunehmend in Gefahr sind. “In Deutschland werden Proteste von staatlichen Behörden mitunter als Bedrohung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung wahrgenommen und deshalb eingeschränkt”. (https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/amnesty-international-114.html)
Während Antidemokrat*innen und Faschisten wieder in Parlamente einziehen und auf der Straße offen ihre Gesinnung zeigen, kann und darf eine Justiz und Polizei nicht zu reaktionären Handlangern werden.
Free Lina, Free all Antifa, Unsere Solidarität, gegen ihre Repression.
erfolgt mündlich