Die aktuellen Meinungsumfragen – bundesweit wie auch im Vorfeld der Landtagswahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen im nächsten Jahr – sind alarmierend. Wir leben in schwierigen Zeiten, in den letzten Jahren häuften sich die Krisen – und sind in der Form der Pandemiebekämpfung und der hohen Inflation bei allen Bürgerinnen und Bürgern angekommen. Zudem scheint es, als sei unserer Gesellschaft das verbindende abhandengekommen.
Die Politik muss gewissermaßen zwei Klimawandel gleichzeitig bekämpfen:
- der naturwissenschaftliche, der mehr Hitzewellen, Unwettern und starker Trockenheit führt, was auch seit Jahren bereits spürbar ist
- den gesellschaftlichen – Die Gesellschaft zersplittert in immer kleinere Blasen, insbesondere zwischen dem urbanen, akademischen Milieu und der ländlicheren, eher konservativen Bevölkerung. Zudem ist das Verständnis zwischen den Milieus gering – jedes Milieu denkt, die eigene Weltanschauung ist die einzig richtige.
Die Abgeordnetenhauswahl in Berlin hat dies deutlich gezeigt – während in den Innenstadtbezirken die Grünen weit über 30% erreichte, war in den äußeren Bezirken die CDU deutlich stärkste Kraft.
Wir als SPD können – und müssen – hier ein Bindeglied sein. Dafür müssen wir aber unsere Politik auf einen Kompromiss zwischen beiden Lagern ausrichten. Eine saubere, die Menschen mitnehmende Kommunikation ist hierfür unabdingbar. Der Streit um das Gebäudeenergiegesetz (GEG) war eine Steilvorlage für antidemokratische Akteure, ausgehend aus der katastrophalen Kommunikation der Bundesregierung. Diese erzeugte Ängste in der Bevölkerung vor Veränderungen. Auch progressive Politik kann man so kommunizieren, dass man möglichst wenig Angriffsfläche für Populisten bietet. Das GEG war in jeder Hinsicht ein Negativbeispiel – der Streit in der Regierung, das Aufkommen von Fake-News, und die realen Folgen (bspw. Wertverlust von Einfamilienhäusern), auch ohne dass das Gesetz überhaupt verabschiedet wurde.
Dabei darf man nicht unterschätzen, wie groß der Anteil von Emotionen in der Politik sind. Gegen starke Emotionen haben Sachargumente kaum eine Chance – gerade die politische Mitte und Linke verzichtet weitgehend auf Emotionen, sondern setzt nur auf Sachargumente. Noch weniger darf man unterschätzen, welche Macht einige gesellschaftliche Kräfte haben, die aus Eigeninteresse Ängste schüren.
Vor allem in der ostdeutschen Gesellschaft sind Ängste, der Strukturbruch in den Jahren nach der Wiedervereinigung könne sich wiederholen, verbreitet. Und auch für die Generation, die den Strukturbruch nicht als Erwachsene miterlebt haben, können die Ereignisse nachwirken, gewissermaßen als transgenerationales Trauma.
Der Soziologe Steffen Mau prägte hierfür den Begriff der \“Veränderungserschöpfung\“ – Er schrieb, dass diese durch den „Transformationsgalopp“ der letzten 30 Jahre entstanden sei, durch die große Geschwindigkeit sozialer Veränderungen und die fehlenden Möglichkeiten, „zur Ruhe und in die Balance zu kommen“. Insbesondere in der Bevölkerung „außerhalb der urbanen Zentren und der größeren Universitätsstädte“ sei bisweilen sogar eine spüurbare Veränderungsaversion zu spüren – „Bewahren und Festhalten“ sei das „Grundmotiv sozialer Orientierung“.
Veränderungen werden bei der Bekämpfung des Klimawandels, bei der zunehmenden Digitalisierung (Stichwort: Künstliche Intelligenz) unumgänglich sein. Wir müssen uns aber der Tatsache stellen, dass dies einen Zielkonflikt darstellt – Je wirksamer bspw. die Maßnahmen für den Klimaschutz, desto unpopulärer werden sie in der Bevölkerung sein.
Vielleicht sollten wir die Kommunikation auch immer vom Ende her denken – die möglichen Kritikpunkte schon vorab kontern. Auch hier spielen Emotionen eine große Rolle.
Der frührere Bundesgeschäftsführer der SPD, Kajo Wasserhövel, beschrieb, dass den demokratischen Parteien die „Interpretationshoheit“ abhandengekommen sei – eine treffende Analyse. So verfestigt sich der Eindruck, mit Deutschland gehe es bergab – und dass nützt nur Populisten.
Wir müssen uns bewusst sein, dass jede Veränderung auf eine mitunter faktenfreie Gegenargum.entation stoßen wird. Es gibt mittlerweile weltweit politische Akteure, die faktenfrei Versprechungen machen, dass keine Veränderungen notwendig sind (Veränderungen wie die Energiewende, der Umbau der Wirtschaft hin zu Klimaneutralität, Ausbau der Elektromobilität – auch damit die deutsche Autoindustrie gegen chinesische oder amerikanische Wettbewerber auf dem Weltmarkt bestehen kann), die den Klimawandel leugnen oder sogar begrüßen.
Selbstverständlich ist das Argumentieren von konservativen bis rechtsextremen Kräften, die einen Rollback in \“die guten, alten Zeiten\“ versprechen, Quatsch – aber es ist sehr populärer Quatsch. Der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk schrieb 2019, dass wir „am Ende eines Zeitalters [leben], das uns in den letzten Jahrzehnten prägte, sozialisierte“, und dass es „kein Zurück [gäbe] in die behagliche Bundesrepublik der 1970er oder 1980er Jahre, auch nicht in die DDR“.
Veränderungen können beängstigend auf die Menschen wirken. Wir müssen auf jeden Fall verhindern, dass rechte, antidemokratische Kräfte aus den Ängsten der Bevölkerung vor der Zukunft Kapital schlagen – Großbritannien und die USA müssen eine riesige Warnung sein! Leider kann man bspw. im bayerischen Wahlkampf erleben, dass das postfaktische Zeitalter längst bei uns angekommen ist.
Die Politik muss das Unbehagen mit der sich immer schneller verändernden Welt ernst nehmen. Nach der „Theorie der sozialen Beschleunigung“ des Soziologen Hartmut Rosa würde vor allem der Wandel immer schneller geschehen, und für die Menschen ist es nicht mehr möglich, dem Tempo noch zu folgen. Insofern stellt für Hartmut Rosa dies eine Form von Totalitarismus da, die zu Entfremdung führt – Gewissermaßen sei die Beschleunigung des sozialen Lebens ein Resultat kapitalistischen Wettbewerbsdenkendes.
Wir müssen uns hier aber auch der Tatsache stellen, dass die Probleme des Kapitalismus nicht unbedingt das Hauptmotiv der Veränderungsaversion sind. Man kann das an \“Diskussionen\“ zu Themen wie Gendern, Fahrverbotsszenen für Autos, vegane Ernährung, das geplante und längst überfällige Selbstbestimmungsgesetz, Elektromobilität etc. sehen, dass es oft nicht mehr um die Sache geht, sondern um die Austragung eines Kulturkampfes. Oftmals geht es auch nur um das Zeigen der Abneigung gegen das urbane Milieu.
Auch jeder Stromausfall, jede Insolvenz eines traditionsreichen Unternehmens, jede Krankenhausschließung oder jede Erhöhung der Spritpreise infolge der CO2-Bepreisung bestätigt die Veränderungsaversion (bspw. gegen die Energiewende, für Kohle- und Atomkraftwerke) und spielt der rechtsextremen \“Alternative\“ in die Karten. Das muss uns bewusst sein und wir müssen eine Politik machen, die klug genug ist, das mitzubedenken.
Populisten werden nicht gewählt, weil sie gute Argumente und kluge Visionen für die Zukunft haben. Sie werden gewählt, weil sie die Gefühle und Emotionen der Menschen ansprechen und manipulieren – Nicht nur in sozialen Netzwerken, aber dort besonders erfolgreich.
In der deutschen Gesellschaft ist etwas ins Rutschen geraten – Lasst uns fortschrittliche Politik für die Menschen, natürlich auch für Minderheiten, machen! Aber lasst uns das besser kommnunizieren und vermeiden wir Debatten, die den falschen nutzen.
erfolgt mündlich
Änderungsanträge
Status | Kürzel | Zeile | AntragstellerInnen | Text | |
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unbehandelt | ÄR1-1 | Weiterleitung; 13; 14-16; 48; 98-99 |
|
Änderungsantrag (PDF) |
Die aktuellen Meinungsumfragen – bundesweit wie auch im Vorfeld der Landtagswahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen im nächsten Jahr – sind alarmierend. Wir leben in schwierigen Zeiten, in den letzten Jahren häuften sich die Krisen – und sind in der Form der Pandemiebekämpfung und der hohen Inflation bei allen Bürgerinnen und Bürgern angekommen. Zudem scheint es, als sei unserer Gesellschaft das verbindende abhandengekommen.
Die Politik muss gewissermaßen zwei Klimawandel gleichzeitig bekämpfen:
- der naturwissenschaftliche, der mehr Hitzewellen, Unwettern und starker Trockenheit führt, was auch seit Jahren bereits spürbar ist
- den gesellschaftlichen – Die Gesellschaft zersplittert in immer kleinere Blasen, insbesondere zwischen dem urbanen, akademischen Milieu und der ländlicheren, eher konservativen Bevölkerung. Zudem ist das Verständnis zwischen den Milieus gering – jedes Milieu denkt, die eigene Weltanschauung ist die einzig richtige.
Die Abgeordnetenhauswahl in Berlin hat dies deutlich gezeigt – während in den Innenstadtbezirken die Grünen weit über 30% erreichte, war in den äußeren Bezirken die CDU deutlich stärkste Kraft.
Wir als SPD können – und müssen – hier ein Bindeglied sein. Dafür müssen wir aber unsere Politik auf einen Kompromiss zwischen beiden Lagern ausrichten. Eine saubere, die Menschen mitnehmende Kommunikation ist hierfür unabdingbar. Der Streit um das Gebäudeenergiegesetz (GEG) war eine Steilvorlage für antidemokratische Akteure, ausgehend aus der katastrophalen Kommunikation der Bundesregierung. Diese erzeugte Ängste in der Bevölkerung vor Veränderungen. Auch progressive Politik kann man so kommunizieren, dass man möglichst wenig Angriffsfläche für Populisten bietet. Das GEG war in jeder Hinsicht ein Negativbeispiel – der Streit in der Regierung, das Aufkommen von Fake-News, und die realen Folgen (bspw. Wertverlust von Einfamilienhäusern), auch ohne dass das Gesetz überhaupt verabschiedet wurde.
Dabei darf man nicht unterschätzen, wie groß der Anteil von Emotionen in der Politik sind. Gegen starke Emotionen haben Sachargumente kaum eine Chance – gerade die politische Mitte und Linke verzichtet weitgehend auf Emotionen, sondern setzt nur auf Sachargumente. Noch weniger darf man unterschätzen, welche Macht einige gesellschaftliche Kräfte haben, die aus Eigeninteresse Ängste schüren.
Vor allem in der ostdeutschen Gesellschaft sind Ängste, der Strukturbruch in den Jahren nach der Wiedervereinigung könne sich wiederholen, verbreitet. Und auch für die Generation, die den Strukturbruch nicht als Erwachsene miterlebt haben, können die Ereignisse nachwirken, gewissermaßen als transgenerationales Trauma.
Der Soziologe Steffen Mau prägte hierfür den Begriff der \“Veränderungserschöpfung\“ – Er schrieb, dass diese durch den „Transformationsgalopp“ der letzten 30 Jahre entstanden sei, durch die große Geschwindigkeit sozialer Veränderungen und die fehlenden Möglichkeiten, „zur Ruhe und in die Balance zu kommen“. Insbesondere in der Bevölkerung „außerhalb der urbanen Zentren und der größeren Universitätsstädte“ sei bisweilen sogar eine spüurbare Veränderungsaversion zu spüren – „Bewahren und Festhalten“ sei das „Grundmotiv sozialer Orientierung“.
Veränderungen werden bei der Bekämpfung des Klimawandels, bei der zunehmenden Digitalisierung (Stichwort: Künstliche Intelligenz) unumgänglich sein. Wir müssen uns aber der Tatsache stellen, dass dies einen Zielkonflikt darstellt – Je wirksamer bspw. die Maßnahmen für den Klimaschutz, desto unpopulärer werden sie in der Bevölkerung sein.
Vielleicht sollten wir die Kommunikation auch immer vom Ende her denken – die möglichen Kritikpunkte schon vorab kontern. Auch hier spielen Emotionen eine große Rolle.
Der frührere Bundesgeschäftsführer der SPD, Kajo Wasserhövel, beschrieb, dass den demokratischen Parteien die „Interpretationshoheit“ abhandengekommen sei – eine treffende Analyse. So verfestigt sich der Eindruck, mit Deutschland gehe es bergab – und dass nützt nur Populisten.
Wir müssen uns bewusst sein, dass jede Veränderung auf eine mitunter faktenfreie Gegenargum.entation stoßen wird. Es gibt mittlerweile weltweit politische Akteure, die faktenfrei Versprechungen machen, dass keine Veränderungen notwendig sind (Veränderungen wie die Energiewende, der Umbau der Wirtschaft hin zu Klimaneutralität, Ausbau der Elektromobilität – auch damit die deutsche Autoindustrie gegen chinesische oder amerikanische Wettbewerber auf dem Weltmarkt bestehen kann), die den Klimawandel leugnen oder sogar begrüßen.
Selbstverständlich ist das Argumentieren von konservativen bis rechtsextremen Kräften, die einen Rollback in \“die guten, alten Zeiten\“ versprechen, Quatsch – aber es ist sehr populärer Quatsch. Der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk schrieb 2019, dass wir „am Ende eines Zeitalters [leben], das uns in den letzten Jahrzehnten prägte, sozialisierte“, und dass es „kein Zurück [gäbe] in die behagliche Bundesrepublik der 1970er oder 1980er Jahre, auch nicht in die DDR“.
Veränderungen können beängstigend auf die Menschen wirken. Wir müssen auf jeden Fall verhindern, dass rechte, antidemokratische Kräfte aus den Ängsten der Bevölkerung vor der Zukunft Kapital schlagen – Großbritannien und die USA müssen eine riesige Warnung sein! Leider kann man bspw. im bayerischen Wahlkampf erleben, dass das postfaktische Zeitalter längst bei uns angekommen ist.
Die Politik muss das Unbehagen mit der sich immer schneller verändernden Welt ernst nehmen. Nach der „Theorie der sozialen Beschleunigung“ des Soziologen Hartmut Rosa würde vor allem der Wandel immer schneller geschehen, und für die Menschen ist es nicht mehr möglich, dem Tempo noch zu folgen. Insofern stellt für Hartmut Rosa dies eine Form von Totalitarismus da, die zu Entfremdung führt – Gewissermaßen sei die Beschleunigung des sozialen Lebens ein Resultat kapitalistischen Wettbewerbsdenkendes.
Wir müssen uns hier aber auch der Tatsache stellen, dass die Probleme des Kapitalismus nicht unbedingt das Hauptmotiv der Veränderungsaversion sind. Man kann das an \“Diskussionen\“ zu Themen wie Gendern, Fahrverbotsszenen für Autos, vegane Ernährung, das geplante und längst überfällige Selbstbestimmungsgesetz, Elektromobilität etc. sehen, dass es oft nicht mehr um die Sache geht, sondern um die Austragung eines Kulturkampfes. Oftmals geht es auch nur um das Zeigen der Abneigung gegen das urbane Milieu.
Auch jeder Stromausfall, jede Insolvenz eines traditionsreichen Unternehmens, jede Krankenhausschließung oder jede Erhöhung der Spritpreise infolge der CO2-Bepreisung bestätigt die Veränderungsaversion (bspw. gegen die Energiewende, für Kohle- und Atomkraftwerke) und spielt der rechtsextremen \“Alternative\“ in die Karten. Das muss uns bewusst sein und wir müssen eine Politik machen, die klug genug ist, das mitzubedenken.
Populisten werden nicht gewählt, weil sie gute Argumente und kluge Visionen für die Zukunft haben. Sie werden gewählt, weil sie die Gefühle und Emotionen der Menschen ansprechen und manipulieren – Nicht nur in sozialen Netzwerken, aber dort besonders erfolgreich.
In der deutschen Gesellschaft ist etwas ins Rutschen geraten – Lasst uns fortschrittliche Politik für die Menschen, natürlich auch für Minderheiten, machen! Aber lasst uns das besser kommnunizieren und vermeiden wir Debatten, die den falschen nutzen.